Die PODIUM-Produktion River / 江 / Fluss feiert am 5. Mai in der Württembergischen Landesbühne Premiere und handelt von überquerten Flüssen und dem Jenseits. Das Tanzstück von und für Tian Gao solo wird getragen von einem betont perkussiven Soundtrack. Wir haben vorab mit ihr über die Produktion gesprochen.
Du durchschreitest so viele Bedeutungsebenen von “Fluss“ – kannst Du rekonstruieren, welche Assoziation Du zuerst hattest – schon bevor du an der Performance gearbeitet hast?
Für mich bedeutet Fluss meine Heimatstadt und Familie. Der Fluss ist ein unersetzliches Element in jeder Stadt, in der ich je lebte, er ist da, auch wenn wir im Alltag vergessen, dass er uns begleitet. Für mich sind Flüsse zu bedeutungsvoll, sie kommen mir zu nahe, ich weiß dann nicht genau, wie ich die Bedeutung Schicht um Schicht enthüllen kann… Also stehe ich in diesem Werk ein wenig abseits meiner Gefühle und öffne es stattdessen anderen Menschen, anderen Städten und anderen Flüssen.
Der Neckar ist ein ganz anderer Fluss als Spree oder Yangtse. Sein Hauptbett durchfließt nicht das Zentrum, sondern versteckt sich hinter Infrastruktur, einer Schnellstraße, den Gleisen. Wie nimmst Du den Neckar wahr?
Letzten November habe ich Esslingen zum ersten Mal besucht. Bevor ich den Fluss sah, sah ich die vielen Kanäle und kleine Brücken in der Stadt, ich roch die Feuchtigkeit in der Luft und hörte selbst in meinem Hotelzimmer das Wasser rauschen. Diese Stadt hat Wasser! Und das ist genug, um mich in sie zu verlieben. Am nächsten Morgen spazierten wir den Neckar entlang, in dünnem Morgennebel. Er ist anders als Spree und Yangtse, ruhig, aber stark, zärtlich, aber wild, friedlich, aber melancholisch. Ich sprang zwischen dem Gefühl von Vertrautheit und Fremde.
Du sagst, Esslingen sei eine Stadt mit viel Wasser. Sind alle Gewässer Flüsse oder was kennzeichnet, im Sinne deines Stücks, einen Fluss?
Ja! Nicht nur Kanäle, sondern auch Quellen, Brunnen, Pfützen auf der Straße nach dem Regen, die schmutzigen und spiegelnden Straßen, wenn es schneit. Für mich sind Flüsse auch die Züge und Schienen, die Treppen, Menschen, die eine Straße überqueren, eine Bewegung in der Szenerie der Stadt, eine stetige Bewegung in eine bestimmte Richtung…
In der Performance scheint Dein Körper immer neue Identitäten anzunehmen. Wie fühlt es sich an, Wasser zu werden?
Unsere Körper sind doch sowieso aus Wasser! Das Flüssige, die Stärke, die Schwäche, die Wildheit, die Lautung, das Verschwommene – all das ist Teil unserer Körpersprache. Und es ist eine Freude, in dieser Performance zwischen all diesen Qualitäten zu transformieren, sowohl die Form des menschlichen Körpers zu repräsentieren als auch die Formlosigkeit unserer Natur.
Die Fotos sind bei Proben in Esslingen vor Festivalbeginn entstanden, fotografiert hat Christoph Püschner von der Agentur Zeitenspiegel.