Der Klimawandel geht leise vonstatten. Nicht leise hingegen sind die Auslöser. Kulisse und Atmosphäre einer Autowerkstatt schaffen einen geradezu idealen Ort, um das intensive Werk „Fuel” der amerikanischen Komponistin Julia Wolfe aufzuführen. Die Pulitzerpreisträgerin greift mit diesem Stück von 2007 die Dynamik des Welthandels auf, lässt die Zuhörer:innen eintauchen in eine Klangwelt, die von Motoren, Hämmern und Bohrern erzählt. Rhythmisch laufende Wellen und Getriebe sind zu spüren und bringen dem Publikum Globalisierung, Klimawandel und die drohende Apokalypse nahe.
CO2 ist Stille. Eingeschlossen in die Böden des Planeten ruht es, und wenn es die Böden verlässt, sammelt es sich kaum spürbar, ohne Gewicht, in den Lüften. Unvorstellbar geringe Anteile von Kohlenstoffdioxid bloß verändern das Wohlbefinden aller Lebewesen auf der Erde. Der Klimawandel geht still vonstatten. Nicht einmal das Gewimmer, das T.S. Eliot in seinem Gedicht „The Hollow Men“ von 1925 statt eines Knalls ans Ende der Welt setzt, ist zu hören.
Was nicht still ist, hingegen: Die Förderung von Erdöl und die Motoren, die Öl verbrauchen. Hämmer und Bohrer, rhythmisch laufende Wellen und Getriebe. Es sprudelt, dann brennt es, dann setzt es in Bewegung: Antriebswelle, Motor und Apokalypse. Klänge, die Pulitzer-Preisträgerin Julia Wolfe in ihrem Stück „Fuel“ von 2007 in den Werkstatthallen des Autohauses Jesinger beinahe haptisch spürbar macht. Eine akustische Auseinandersetzung mit der Dynamik des Welthandels, dem Anlanden und Abliefern, letztlich aber eine mit dem Verhältnis von Mensch und Natur, die nie vergisst, dass es eine Krise einzig des Menschen ist: Das CO2 war schließlich immer da, immer Teil des fragilen Systems, das unser Planet ist.
Die junge Komponistin inti figgis-vizueta deutet in ihrem experimentellen, sich stets in der Aufführung verändernden Stück „talamh“ zumindest eine Zukunft an: Der Titel bedeutet auf Gälisch „Land“, und man kann sicher sein, dass jenes bleiben wird, wie auch immer sich die Menschheit in diesem kritischen Moment ihrer Geschichte verhalten wird. Ein Happy End ist aber nicht zu erwarten. Wenn Giacinto Scelsis abschließendes, spirituell inspiriertes Stück „Natura Renovatur“ (1967) verkündet, die Wiederherstellung der Natur, zwischen mikrotonaler Avantgarde und Rosenkreuzertum, könnte er eine ohne Menschen gemeint haben.
Foto: Christoph Püschner / Zeitenspiegel
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