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Penelope: Höhepunkt des Konzertwochenendes im Kloster Bebenhausen

Ein Text von Dietholf Zerweck

Vier Künstler*innen beim Schlussapplaus in stimmungsvollem, lilablauem Licht

Während man im Klostergarten mit Kreuzgang im stimmungsvollen Ambiente noch die Abendsonne genießen konnte, erwartete die Besucher*innen im Sommerrefektorium unter dem gotischen Fächergewölbe ein Kunstgenuss der besonderen Art: die vierzehn Songs von „Penelope”, ursprünglich als Monodrama konzipiert und 2008 im New Yorker J. Paul Getty Center uraufgeführt, sind in ihrer Version für Gesang, Streichquintett, Percussion und Live-Electronics eine höchst eindrucksvolle poetisch-musikalische Auseinandersetzung mit den Gefühlen von Sehnsucht, Verlust, Heimkehr und den Traumata von Trennung und Verlassenheit.

Die Geigerin Malin Grass beim Spielen

Mit dem Geiger Joosten Ellée und seinem Quintett taucht man ein in den musikalischen Flow einer imaginären Begegnung zweier mythischer Figuren: ein Mann kehrt nach zwanzig Jahren Abwesenheit zurück zu seiner Frau, er ist „The Stranger with the Face of a Man I Loved”, doch er weiß nicht, wer er ist, und sie weiß nicht, wer und wie er geworden ist. Als Odysseus’ Gattin Penelope erzählt sie, mit ihrer weiblichen Imagination, von seinen Irrfahrten und Erlebnissen: „I have a house / looks out to sea / and this is where he came…” Mit ihrer von Melancholie gefärbten, ausdrucksvollen Stimme mischt sich die österreichische Mezzosopranistin Isabel Pfefferkorn in den Seufzerstrom der Saiteninstrumente, der noch angereichert wird von dumpfen Trommelschlägen und gesampelten Background-Vokalisen. Barfuß bewegt sich die Sängerin in den Indie-Rock-Rhythmen der Musik, die leisen Attacken der Snare Drum im folgenden „This Is What You’re Like” zitieren vielleicht die Kriegserfahrungen des Heimkehrers Odysseus, der nun in einigen Episoden seiner Irrfahrten zu Wort kommt. Litaneiartig beginnt Isabel Pfefferkorn mit „The Lotus Eaters”, begleitet von träumerischen Pizzicati der Bratsche: „Never, never, never, never will I / Never will I sleep like that again” beschwört sie den Vergessenheitsrausch, die Verlorenheit des „I’m lost in this night”, während die von Anselm Bieber gesteuerten elektronischen Zuspiele ins Land der Phäaken geleiten, wo Nausikaa den Schiffbrüchigen mit einer sphärischen Kantilene begrüßt: „Just take my hand, stranger / And I will lead you home.”

Drei Bilder mit Eindrücken aus dem Konzert

Schon während ihrer Highschool-Jahre in Princeton begann Sarah Kirkland Snider zu komponieren, später beschrieb sie diese Anfänge als „irgendwo zwischen Debussy und Joni Mitchell.” Tatsächlich fasziniert der „Penelope”-Zyklus durch seine hybride Mischung von fein austarierten kammermusikalischen Klängen und suggestiver Intensität der Gesangstimme, die im Vortrag von Isabel Pfefferkorn souverän zur Wirkung kommt. Bravourös auch, wie sich bei „Circe and the Hanged Man” der Trommel-Sound von Paul Ebert, der zwischen Schlagzeug, Vibraphon und weiteren Percussion-Instrumenten hin- und herbewegt, mit dem rhythmischen Klatschen und Stampfen der Streicher*innen mischt, während der gezupfte Kontrabass Kristina Edins groovt und Joosten Ellée mit einer einsamen Ostinato-Figur dagegenhält. Der satte Streichquintett-Sound von Ellée, Malin Grass, Erin Kirby, Ragnar Jónsson und Edin hüllt dann Pfefferkorns volltönigen Mezzo bei „I Died of Waiting” wie einen samtigen Mantel ein. Schade, dass die Songtexte von Ellen McLaughlin nicht im Programm-Flyer abgedruckt waren – so hätte man dem expressiven Zyklus noch besser folgen können. Emotional erregt und elegisch klagend kontrastieren die vielschichtig strukturierten Songs die Poesie dieser Geschichte, welche die Protagonistin Penelope im Schluss-Song noch einmal klangsinnig beschwört: „The story, his story / Bloody and sacred, truth and lie…” Die beeindruckten Zuhörer*innen im Bebenhausener Sommerrefektorium applaudierten enthusiastisch.